13.06.2025
Interview mit Johannes Heuser
„Entrepreneurship Education ist wichtig für ein gelingendes Leben“
© DKJS/ Jenia Symonds
Gemeinsam mit Johannes Häuser und weiteren Akteuren aus Bildungsverwaltung, Praxis, Wissenschaft und Zivilgesellschaft haben wir uns im März 2025 auf eine Lernreise nach Österreich begeben. Wir haben uns angeschaut, wie Entrepreneurship Education in Österreichs Lehrplänen verankert und in der schulischen Praxis umgesetzt wird. Im Interview erzählt Johannes Häuser, was er auf dieser Reise erlebt hat – und welche Impulse auch für uns in Deutschland von Interesse sind.
Herr Heuser, warum haben Sie an der Bildungsreise nach Wien teilgenommen?
Als Mitglied der Konzeptionsgruppe WBS/Wirtschaft des Zentrums für Schulqualität und Lehrerbildung befasse ich mich auch mit Handlungsorientierung und der Förderung von Eigenverantwortung, also im Prinzip mit zentralen Aspekten von Entrepreneurship Education. Man hörte da immer: Österreich sei da viel weiter und mache da schon viel mehr als wir. Das wollte ich mir konkret vor Ort anschauen. Für mich war es auch sehr interessant zu sehen, wie man es in Österreich hinbekommen hat, da einen gemeinsamen politischen Willen zu etablieren.
Warum ist Entrepreneurship Education so wichtig?
Unser Ziel ist es, mündige Wirtschaftsbürgerinnen und -bürger ins Leben zu entlassen. Da ist es ganz wesentlich, dass wir ihnen ein „positives Mindset“ mitgeben. Das bedeutet etwa, jungen Menschen Frustrationstoleranz zu vermitteln, dass sie lernen, mit Rückschlägen umzugehen, aber auch die eigenen Stärken kennenzulernen, daraus Lösungswege abzuleiten und Probleme dann zu lösen. Problemlösefähigkeit ist ja auch der Kern des Kompetenzbegriffes unserer Bildungspläne.
Warum braucht es für die stärkere Implementierung von Entrepreneurship Education in Deutschland noch so viel Überzeugungsarbeit?
Es gibt in Deutschland oft dieses Zerrbild von Entrepreneurship Education: Da sollen lauter kleine Unternehmerinnen und Unternehmer rauskommen. Aber genau darum geht es nicht. Wir wollen Kindern und Jugendlichen Kompetenzen für ein gelingendes Leben mitgeben. Es war für mich sehr interessant zu sehen, dass es in Österreich gelungen ist, einen Konsens herzustellen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern und den Gewerkschaften, die alle der Meinung sind: Entrepreneurship Education ist sinnvoll für alle jungen Menschen, weil sie wichtige Kompetenzen für ein gelingendes Leben mitnehmen.
Würden Sie sagen, Entrepreneurship Education ist heute wichtiger als noch vor 20 Jahren?
Ja, unbedingt. Wir können natürlich jetzt auch den Begriff Resilienz in den Topf werfen. Wenn ich über eine starke Resilienz verfüge, kann ich mit Herausforderungen leichter umgehen – und wir leben in einer Welt, die immer stärker von Unsicherheiten und Herausforderungen geprägt ist. Bin ich resilient, machen die mir nicht primär Angst. Das ist ja ein Phänomen in Deutschland: Wir haben gern Angst vor Veränderungen. Also bleiben wir gern bei dem, was wir schon haben, wie wir es schon immer machen. Wir zementieren oft etablierte Strukturen. Doch schon Schumpeter lehrt uns: Man muss ineffiziente Strukturen einer neuen Verwendung zuführen. Das heißt, man muss aushalten, dass Dinge verloren gehen, an die man sich gewöhnt hat. Man muss neue Wege gehen und eben auch die Chancen sehen in dem, was da Neues und Innovatives entsteht.
„Wir brauchen in Deutschland statt Ängsten, Vorbehalten und Widerständen ein positiveres Verständnis für die Ziele von Entrepreneurship Education: Kindern und Jugendlichen ein positives Mindset und Kompetenzen wie Kreativität und Selbstwirksamkeit für ein gelingendes Leben mitzugeben. Davon profitieren junge Menschen individuell und die Gesellschaft als Ganzes.“
Johannes HäuserWenn Sie an Entrepreneurship Education in Deutschland denken: Was fehlt Ihnen am meisten?
Es gibt trotz des Wunsches der Schülerinnen und Schüler nach mehr Ökonomie in der Schule leider noch keinen breiten Konsens für mehr Entrepreneurship Education oder mehr ökonomische Bildung. Wenn wir bundesweit mehr Verständnis hätten für das, was Entrepreneurship Education im Kern will, dann hätten wir auch viele dieser Ängste und Widerstände nicht. Immerhin, im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung wurde ja erstmals Entrepreneurship Education mit aufgenommen. Das ist sehr erfreulich.
Was war für Sie am eindrücklichsten, wenn Sie an die Reise denken?
Sehr eindrücklich fand ich die Vielfalt. Wir haben ja ganz viele unterschiedliche Schularten gesehen. Wir haben gesehen, wie man auf ganz unterschiedlichen Niveaus an diesem „Growth Mindset“ arbeiten kann, wie man alle passend damit abholt. Sehr überzeugt haben mich auch die Kooperationen zwischen Schulen und Wissenschaft. Wir waren zum Beispiel an der Wiener Universität, da gab es einen Changemaker Markttag. Da haben Studierende mit den Schülerinnen und Schülern verschiedener Schulen zusammengearbeitet. Sie haben an dem Tag ihre entwickelten Produkte und Dienstleistungen der Öffentlichkeit präsentiert. Da konnten wir sehr überzeugend sehen, dass auch bildungsferne Schülerinnen und Schüler mal einen Tag an die Uni gekommen sind und erfahren haben: „Hey, ich kann was und das ist vielleicht auch etwas für mich.“ Und dass sie alles selbst machen – von der eigenen Idee zum fertigen Produkt als Problemlösung. Das war ganz wunderbar.
Was kann sich Deutschland Ihrer Meinung nach von Österreich abschauen?
Dass man mit Entrepreneurship Education auf ganz verschiedenen Ebenen andocken kann und dass es im Idealfall so ein Treppchen wird: dass in jedem Schuljahr an jeder Schulform irgendein Element zu diesem Mindset beiträgt, dass die Kinder und Jugendlichen quasi in jedem Schuljahr damit Kontakt haben bis zum Abschluss und so eben aufs wahre Leben vorbereitet werden. Das war für mich sehr eingängig.
Haben Sie Ideen mitgenommen, die Sie vielleicht ausprobieren möchten?
Wir arbeiten eng mit der Universität Tübingen zusammen. Da werde ich jetzt mal schauen, ob wir nicht auch einen Changemaker-Tag mit den Studierenden hinbekommen. Das wäre eine gute Möglichkeit, auf lokaler Ebene etwas auszuprobieren. Und es wäre natürlich auch für die angehenden Lehrkräfte am Seminar für Lehrkräftebildung prima, wenn sie schon mal mit Kindern arbeiten können. Und ich finde die neue österreichische Fallstudien-Initiative sehr interessant und könnte mir da eine Kooperation mit Österreich für die Vermittlung von BWL im Leistungsfach Wirtschaft gut vorstellen.
Johannes Heuser unterrichtet Wirtschaft am Dietrich-Bonhoeffer-Gymnasium in Metzingen und ist Fachreferent für die Fächer Wirtschaft, Berufs- und Studienorientierung (WBS) und Wirtschaft (allgemeinbildende Gymnasien) im Regierungspräsidium Tübingen.